Nachdem die teils stark auseinandergehenden Interessen aller Mitgliedsländer berücksichtigt werden müssen, ist der Entscheidungsfindungsprozess auf EU-Ebene häufig zäh. In Zeiten der Krise haben sich die Staatschefs der Mitgliedsländer zwar als erstaunlich entscheidungsfreudig erwiesen, aber stundenlange, bis in die frühen Morgenstunden gehende, Diskussionen und Verhandlungen, sind nach wie vor ein Wesensmerkmal der Union. Auch wenn dieses Vorgehen für die beteiligten Politiker und die Journalisten, die über die Fortschritte der Verhandlungen berichten, nervenaufreibend ist, hat es doch Vorteile, da die unterschiedlichen Interessen und Positionen der Mitgliedsländer berücksichtigt werden müssen. Dies erlaubt eine Vielfalt der Lösungsmöglichkeiten und die Chance, teilweise auch den Zwang, neue Wege zu gehen, was sich durchaus als Vorteil erweisen kann.
Die langfristige Perspektive
Das traditionell lange Zeitfenster sorgt aber auch dafür, dass die Union weit in die Zukunft plant, während die nationalen Regierungen häufig nur Pläne für die Zeit schmieden, während der sie an der Macht sind. Auch die Tatsache, dass es in der EU keine Regierung im übertragenen Sinne gibt, ist hier ein Vorteil, denn so können Kommission und EU-Parlament ihre Arbeit erledigen, ohne immer darauf schielen zu müssen, welche Auswirkungen ihr Abstimmungsverhalten für eine mögliche Wiederwahl haben könnte. Und so gab es auch im Bereich des Klimaschutzes nicht nur eine Strategie bis 2020 und 2030, sondern auch eine Strategie bis 2050.
Klimaneutrales Europa
Es war am 28. November 2018, als die Kommission ihre Vision für die Entwicklung Europas bis 2050 vorlegte. Wenig überraschend ist, dass die Union in dieser Zeit prosperieren soll und sowohl wohlhabend als auch wettbewerbsfähig und modern sein soll.
Doch die Kommission beließ es nicht bei schönen Worten, sondern präsentierte auch ein ehrgeiziges Ziel: Die Wirtschaft der EU sollte bis 2050 klimaneutral und somit ein Vorreiter im Bereich des Klimaschutzes werden und dazu beitragen, den Temperaturanstieg deutlich unter zwei Grad zu halten. Gleichzeitig zeigte das Papier auf, mit welchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden soll. So will Europa in technologische Lösungen investieren, die den Wirtschaftsraum dem Ziel der Klimaneutralität näher bringen. Außerdem sollen die Bürger für ihre Möglichkeiten im Bereich des Klimaschutzes sensibilisiert und zu eigenverantwortlichem Handeln animiert werden. Wesentliche Fortschritte erhofft die Kommission sich außerdem von einer Verzahnung und Abstimmung der Industriepolitik, des Finanzwesens und der Forschung, damit sowohl kreative als auch finanzierbare und praktikable Lösungen gefunden werden können. Um den gesellschaftlichen Frieden innerhalb der Union aufrechtzuerhalten, soll der Übergang außerdem sozial gerecht ablaufen.